Wenn viele gleich denken - ein Erklärungsmodell für die Coronakrise

 

Dieser Text ist eine Zusammenfassung (Teil A) der wesentlichen Aussagen von Mattias Desmets 'theory of mass formation'. Der Inhalt wurde von mir ins Deutsche übersetzt und im Teil B) um eigene Anmerkungen ergänzt. (Mattias DesmetDer Autor ist Professor für klinische Psychologie in Gent (Belgien) und erklärt in diesem Video, wie man kollektive Angst fabriziert. | COMMENTARY #48) 

 

 

 

A) Dramaturgie der Massenbildung

 

"Mass formation" - zu deutsch Massenbildung - ist eine spezifische Art der Gruppenbildung, bei der das kritische Denken ausgeschaltet wird. Individuelles Denken wird ersetzt durch Gruppendenken. Alle denken gleich, es gibt keine kritische Distanz. Dies gilt sowohl für hoch intelligente als auch für weniger intelligente Menschen. 

 

Dass Massenbildung entstehen kann braucht es 4 Bedingungen:

 

1.  Ein verbreitetes Gefühl der Einsamkeit, der sozialen Isoliertheit. Man ist „sozial atomisiert“ (vgl. Hannah Arendt). In einer Untersuchung gaben mehr als 50% der Befragten an, keine einzige reale Beziehung zu einer Person zu haben. Eine Verbindung zu anderen Menschen hatten sie nur über das Internet.

 

2.  Weil wir soziale Wesen sind bewirkt das Fehlen von sozialen Bindungen ein Gefühl der Sinnlosigkeit. In einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2016 gaben nur 13% der Befragten an, dass sie Ihre Arbeit als sinnvoll erlebten, während 60% absolut keinen Sinn in ihrer Arbeit sahen. Die Hauptursache dafür scheint wohl unsere mechanistische und materialistische Sichtweise zu sein, die das Universum und den Menschen auf eine Maschine reduziert. Welchen Sinn hat eine biologische Maschine?

 

3.  Angst. „Free floating anxiety“. Es geht um diese Angst, nicht Furcht. Ein konkretes Objekt der Angst fehlt hier (diffuse Zukunftsängste, Umweltkrise, Wirtschaftskrise, Finanzkrise, getriggerte frühkindliche Ängste). Um diese "free floating anxiety" in den Griff zu bekommen, sucht man nach einem Objekt und einer Strategie, um sie zu bekämpfen und zu beherrschen. Man ist frustriert und aggressiv und versucht etwas zu finden, auf das man seine Frustrationen und Aggressionen richten kann. Weil die wahren Ursachen diffuser Ängste nicht so leicht behoben werden können, kommt was Neues ins Spiel. Ein Ersatzobjekt. 

 

4.  Wenn von den Massenmedien und der Politik so ein Ersatzobjekt (Coronavirus) angeboten und propagiert wird, sowie eine entsprechende Bekämpfungsstrategie (Heilsversprechen Impfung), werden alle Ängste mit diesem Objekt verbunden. Die Zustimmung zur vorgeschlagenen Strategie und zu verordneten Maßnahmen befreit von der Angst.

 

Diese Dramaturgie der Massenbildung in vier Schritten dient als Blaupause für alle totalitäen Gesellschaftssysteme, die wir kennen. Es müssen, so der Autor, alle vier Bedingungen erfüllt sein, damit Massenbildung - in Gestalt einer totalitär wirkenden Ideologie – auch funktioniert. Alle vier Bedingungen waren lt. Desmet vor Beginn der Coronakrise erfüllt. 

 

Desmets Theorie verstehe ich als Angebot, sich mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen kritisch auseinanderzusetzen und das eigene Denken zu schärfen.

 

 

 B) Anwendung auf die Coronakrise

 

Die "neue Solidarität"

Wenn sehr viele Menschen staatlich verordneten Maßnahmen zustimmen, und viele denken ja, die Maßnahmen können gar nicht falsch sein, wenn so viele Menschen weltweit mitmachen … dann entsteht nichts Geringeres als ein neues soziales Gemeinschaftsgefüge. In den vergangenen zwei Jahren, 2020 und 2021, während der Coronazeit ist eine neue Art von Solidarität entstanden, „a new citizenship“. Sehr viele Menschen glauben daran, dass die Maßnahmen sinnvoll sind und aus der Not helfen. Wer eine Lösungsstrategie als sinnvoll einstuft, ist auch gewillt, dem Narrativ zu glauben und glaubt ihm auch weiter, selbst wenn sich das Bedrohungsszenario im Laufe der Zeit als absurd herausstellt.

 

... und das Bedürfnis dazu zu gehören 

Jeder Mensch hat das Bedürfnis wo dazuzugehören und auch das Bestreben, für die Gemeinschaft nützlich zu sein, ein wertvolles Mitglied derselben zu sein. Man kann auch "Solidarität" dazu sagen. Dieses menschliche Grundbedürfnis ist auch tiefere Grund dafür, warum der Begriff der „Solidarität“ so moralisch aufgeladen ist. "Solidarität" wurde mit dem Corona-Narrativ fest verknüpft. Darum ist der 4. Punkt – nämlich die Identifikation mit dem Ersatzobjekt, mit dem Virus und mit der Bekämpfungsstrategie, mit den angebotenen Maßnahmen ausschlaggebend dafür, dass die Massenbildung überhaupt funktioniert. Ohne ein Ersatzobjekt würde das nicht gelingen, würde die Massenbildung nicht zustande kommen, selbst wenn die ersten drei Bedingungen erfüllt sind. Ausschlaggebend ist der Übertragungsprozess, erst er führt zur Massenbildung und in der Folge zu einer neuen Form von Solidarität. "Neue Solidarität" bedeutet - da gehöre ich dazu. Auf einmal gibt es dieses gemeinsame Ziel, das alle verbindet: Corona. Die Nachbarin, der Chef, die Verkäuferin im Supermarkt, sie alle haben Angst vor Corona. Sie alle wollen sich vor einem „Killervirus“ in Sicherheit bringen und sich und ihre Lieben schützen. In einer gemeinsamen Kraftanstrengung. Mit den angebotenen Maßnahmen. 

 

Wie das eigenständige Denken ausgeschaltet wird

Im Zuge des Gruppenbildungsprozesses wird das kritische Denkvermögen ausgeschaltet und durch Gruppendenken ersetzt. Das Empfinden von Sinnhaftigkeit ist dabei ganz wesentlich. Sinn verbindet. Das gute Gefühl, das sich einstellt, wenn man etwas als wirklich sinnvoll erlebt, verbindet Menschen miteinander. Und es verbindet ganz unterschiedliche Menschentypen. Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Personen intelligent, hoch gebildet, wohlhabend sind oder nicht, ob es sich um sogenannte "Intellektuelle"oder um "soziale Unterschichten" handelt. Aus der inhomogenen Gruppenidentität formiert sich eine homogene Masse, ein neuer Mainstream, der gleichgeschaltet denkt. Man passt sich an und leistet so einen Beitrag für den Zusammenhalt des Kollektivs. Überzeugt und ohne zu murren halten diese Menschen Abstand voneinander, tragen Gesichtsmasken, erdulden Lockdowns, lassen sich gegen Corona impfen. Sie bezeichnen sich selbst als "solidarisch" gegenüber der Gesellschaft. So zu denken, wie das Kollektiv denkt, empfinden sie als normal.

 

Kollektives Denken vertreibt Angst und Einsamkeitsgefühle

Die Angst ist weg. Das ist der erste Benefit. Deshalb wird gedacht und getan, was angeboten und verlangt wird. Was aber noch wesentlicher ist, ist das Gefühl der Verbundenheit, das nun entsteht. 

 

Warum es keine Verständigung mit Andersdenkenden mehr gibt

Menschen, die von der Not wendenden Wirksamkeit bestimmter Corona-Maßnahmen überzeugt sind, denken entlang des „Massnahmen-Versprechens“. Divergente Meinungen werden rigide abgeblockt. Und so werden die Maßnahmen mit ihrem Erlösungsversprechen zum Denk-Geländer. Man fühlt sich dann wohl und sicher mit der Art, wie man denkt. Wird aus einer Meinung schließlich eine feste Überzeugung, dann kann sie eine spezifische Gruppenbildung auslösen, so Desmet. Der gesunde Menschenverstand kommt dann nicht mehr zum Zuge, es schwindet die Fähigkeit selbst zu denken und kritisch zu denken. Es gibt dann kein Verstehen und keine Verständigung mit Andersdenkenden mehr. Das Wahrnehmungsfeld ist extrem verengt, Mitgefühl gibt es nur mehr für Mitglieder der eigenen Gruppe.

 

Die Pathologie kollektiver Denkmuster 

Möglicher Hintergrund: Die gängige Wissenschaftsauffassung ist materialistisch, abstrakt und reduktionistisch. Psychische und soziale Aspekte bleiben außen vor, sie sind im "objektiven" Wissenschaftsbetrieb von unter geordneter Bedeutung. Alles, was von bestimmten Wissenschaftsvertretern (noch) nicht verstanden wird, was sie in ihrer Begrenztheit nicht einordnen können oder wollen, wird als gefährlicher Unfug, als Scharlatanerie denunziert. Es wird mundtot gemacht, indem es die Punze "unwissenschaftlich" aufgedrückt bekommt. Eine Situation, beinahe wie im Mittelalter. Bio-medizinische Pharmalobbyisten, Simulationsforscher, Infektiologen und virologische Experten nehmen für sich in Anspruch, objektives Datenmaterial zu generieren. Ihr Datenmaterial soll die Wirksamkeit der Maßnahmen beweisen. Pausenlos werden die Medien aus verschiedenen Quellen damit gefüttert, die wiederum machen mit ihren bevorzugten Experten ihren eigenen Datensalat daraus. Die Politik sortiert und interpretiert diese "evidenzbasierten Fakten" für sich und beschwichtigt mit Hilfe der Leitmedien eine zutiefst verunsicherte Öffentlichkeit. Sie betreibt Impf-Propaganda und erklärt den bio-technischen Einsatz von Wissenschaftserkenntnis zum alternativlosen Rettungsweg. All das entfremdet die Menschen von sich und der Natur und beschwört so durch die entstehende Angst und Vereinzelung erst recht psychische Not herauf. Diese richtet sich auf das nächstbeste Bedrohungs-Geschehnis (die Gruppe der Impfunwilligen wird größer, das Virus mutiert ständig, womöglich verbreitet sich jetzt die Influenca ganz stark oder die Affenpocken … usw) und zwingt die politisch Handelnden zu totalitärem Durchgriff. Dieser Durchgriff wiederum führt zu einer stärkeren Befestigung des zugrunde liegenden Denkens und damit zu einer Weiterführung genau dieser Denkweise, die die Probleme erzeugt. Insofern ist es ein Teufelskreis. Beide Seiten, Wissenschaft und der vereinzelte Mensch, befinden sich im Krisenmodus. Wahnhafte Angstabwehr ermöglicht eine politische Entwicklung, die Mächtige zu einem totalitären Plan nutzen können.

 

Das Ergebnis ist eine abnorme gesellschaftliche Entwicklung: 

Es entstehen feste, unverrückbare Überzeugungen. Kollektive Denkmuster. Schwarz - weiß. Und dann zählt nur mehr das, was das Kollektiv denkt, wovon es überzeugt ist, und was alle - die dazu gehören - denken. Egal, ob es stimmt oder nicht. Egal, ob es logisch oder absurd ist. Egal, ob es Recht oder Unrecht ist. Egal, ob Menschen dadurch geschädigt und schwer traumatisiert werden. Egal, ob es menschlich oder unmenschlich ist.